Im Jahr 2007 wurde die Erkelenzer Karnevalsgesellschaft 175 Jahre alt. Ein Blick in die Geschichte des rheinischen Karnevals belegt, dass die Erkelenzer Karnevalsgesellschaft zu den ältesten im ganzen Rheinland gehört. Im Bereich des Regionalverbandes des Bundes Deutscher Karneval ist sie sogar die älteste reine Karnevalsgesellschaft.
Die Gründung der Erkelenzer Karnevalsgesellschaft legt Zeugnis dafür ab, wie in der Zeit nach 1820 der Karneval im Rheinland von den Bürgern neu organisiert wurde. Das gilt auch für die Gründung anderer Karnevalsgesellschaften in unserem Gebiet. Nachdem sich in Köln neue Karnevalsformen seit 1823 etabliert hatten, fanden diese in der noch ländlich strukturierten Kleinstadt Erkelenz schon recht bald Nachahmer.
Lange Zeit glaubte man, dass der Erkelenzer Karneval 1841 ins Leben gerufen wurde. Laut eines alten Protokollbuches traten am 1.Spörkel (Januar) 1841 Einwohner hiesiger Stadt im Lokal des Wirtes Peter Otten zusammen mit der Absicht, eine Gesellschaft zu bilden, welche es sich zum Zwecke gestellt hatte, die Feier des Karnevals wieder zu beleben und Lust und Freude, verbunden mit einem wohltätigen Zwecke, während der Karnevalszeit zu finden.
Im Archiv der Kreisverwaltung aber stiess man 1972 auf ein Dokument, das den Beginn des organisierten Karnevals bereits für das Jahr 1832 belegt. Im Erkelenzer Kreisblatt vom 21.02.1857 erschien eine Anzeige, in der die "Feier des 25jährigen Jubelfestes der Erkelenzer Carnevals-Gesellschaft 1832 - 1857" angekündigt wird. Am Sonntag Abend finde "Concert und Ball zu Erkelenz im prächtig geheizten Saale in diesem Jahre zum fünfundzwanzigsten Male" statt. Am Fastnachtsmontag werde "Das Jubiläum des Prinzen Carneval", oder "Das hanswurstliche Stiergefecht" arrangiert, eine Posse mit Gesang, Tanz, Glockengeläut, Kanonendonner, Festzügen, Feuerwerk und Illumination.
Die Annahme, dass mit den Formen des jüngeren Kölner Karnevals auch entsprechende Begriffe übernommen worden sind, wird in Erkelenz eindrucksvoll durch die Bezeichnung als "Carnevals-Verein" bestätigt. Die lokale Karnevalstradition wurde in der Folge auch von anderen Vereinen hochgehalten, jedoch ohne dass diese auch grosse Aufzüge veranstalteten.
Eine jährliche Regelmässigkeit von Karnevalszügen bestand um 1860 auch bei der sonst so aktiven Erkelenzer Gesellschaft noch nicht. 1870 kündigt der Erkelenzer Karnevalsverein zum Fastnachtssonntag und -montag einen "grossen carnevalistischen Zug durch die Stadt" an. Es finden sich auch Hinweise auf ein festes Zugprogramm:
Vorauf die decke Tromm met der Schellebom
und ein Federfuchser in Soldaten-Uniform mit
gezogenem Lineal und scharfer Bleifeder
überhaupt mit sämtlichen Büro-Utensilien;
dann folgen in drei Reihen 11 verlogene
Schneider mit Bügelbrett und Scheere, an
welchen sich eine gleiche Anzahl Schuster
mit Kugeln und gezückten Spannriemen anreihen.
Den Mittelpunkt des Zuges bildet der Held des
Tages, der in seinem Gala-Anzuge stolz
daherschreitende Hanswurst, umgeben von
seinem Generalismus. Sein Gefolge sind:
ein Spezialrath und ein Constructionsrichter,
sowie die Ehren-Mitglieder des Vereins mit
dicken Nasen, langen Ohren, lackierten
Beinen und bemalten Armen. Im Anschlusse
hieran folgen endlich 111 Schiebkarren aus
Terheeg, Mennekrath und Tenholt mit
Amphibien, als da sind: Fröschtebeen und
Krokodiele; sowie 11 Heuwagen aus Oestrich,
Wockerath und Oerath mit Säugetieren aus
dem zakerlogischen Gath aus Cöln.
In den folgenden Jahren zeichnen sich die Züge durch eine grössere Vielfalt der Motive aus, die jetzt nicht mehr nur in der Stadt gefunden werden. Der "Hanswurst" ist zur Nebenfigur degradiert, während der "Prinz Carneval" nun im Mittelpunkt steht. Als "Galawagen" sind zum Beispiel 1875 der vierspännig gezogene des Karnevalsprinzen und der "Erka, Burgjungfrau und Gründerin der Veste Erkelenz", aufgeführt. Diese Gestalt, die "Ercka virago", wurde in mythologischer Deutung mit dem Ortsnamen in Zusammenhang gebracht.
Erkelenzer Schreiben über die Karnevalszüge 1872 und 1875:
Januar-Februar 1872: "Mit Riesenschritten gehen wir jetzt schon dem Fastelovend entgegen. Derselbe verspricht uns in diesem Jahre wie es scheint recht viel Amüsantes. Es hat sich nämlich ein Verein gebildet, an dessen Spitze der alte Braun vom Markte und andere alte Erkelenzer Jonge stehen; ein schöner Zug und viele Wagen hat man in Aussicht gestellt, mal sehen was es wird." ... "Du hast wirklich etwas versäumt. ... Der Zug war über alles Erwarten schön und prachtvoll, die Erkelenzer haben alles aufgeboten und keine Kosten gescheut um etwas ordentliches zu Stande zu bringen. Beiligendes Programm wird Dir über die ganze Geschichte Aufschluss geben. Alles darin bemerkte gelangte zur Aufführung. Herr Haas war Prinz Carneval. Berz als Dame Flora war wirklich zum Bewundern schön, ihr zur Seite ritten zwei Hercules in Person von Fongern und Lütterforst. Baron Püllen stak in einer schönen goldenen und silbernen Rüstung und stellte den Kriegsgott Mars vor, die beiden Kriegsherolde waren August Amfaldern und vom Berg. Dapper und Richard Görtz waren die Knappen des Fräulein Erka. Das Jubelpaar war am herrlichsten. Es sass in einem bekränzten Wagen und wurde vom ganzen Zug in der schwarzen Burg abgeholt. Die Jungfer Erka hatte einen prachtvollen Anzug, lange schwarze Locken eine Krone auf dem haupte und ein grosses alterthümliches Schwert in der Hand, ein echtes Mannweib, sie spielte Ihre Rolle recht gut. Nicht minder gelungen war die Haltung und das Benehmen Ihres Gemahls, des Bierkönigs Gambrinus (Braun)."
Februar 1857:"... der fastnachtszug war über jedes Lob erhaben, die Wagen und Costüme übertrafen durch Ihre Eleganz die der vorigen Jahre bei Weitem, an Humor und Witz fehlte es auch nicht. Berg machte Sultan Mohamed XI mit seinen verschiedenen Würdenträgern, dieser Wagen bildete eigentlich den Glanzpunkt des Zuges, die Gruppe auf demselben in den reichen orientalischen Gewändern war reizend und sehr nobel. ... Ich halte es für überflüssig, Dir diesen Wagen näher zu beschreiben, denn dies würde mir schwerlich gelingen, solche Sachen muss man mit eigenen Augen sehen, um den komischen Effect derselben richtig beurteilen zu können. ..."
Mit dem neuen Jahrhundert brach für Erkelenz eine neue karnevalistische Ära an. Im Jahre 1900 organisierten zunächst die "fidelen Brüder" zum Rosenmontag wieder einen Zug. 1904 kam es dann durch die Initiative des Fabrikanten Anton Raky zu einer allgmeinen Wiederbelebung und zu einer "Neugründung" der Erkelenzer Karnevalsgesellschaft.
"Als im Jahre 1905 das Volk von Erkelenz und der Erkelenzer Lande einen besonders gelungenen Fastnachtszug in den Strassen der Stadt bewundern konnte, musste man feststellen, dass auch der grosse Erfinder und der reiche Industrielle Anton Raky unter die Jecken gegangen war.
Der Herr Generaldirektor stellte ein Dutzend Autos zur Verfügung, die zu Fastnachtswagen umgebaut wurden. Und als er am Steuer eines Fastnachtswagens durch die Erkelenzer Strassen zog, war er nicht mehr der grosse Erfinder und Industrielle, sondern ein waschechter Erkelenzer Fastelovendjeck. Mehr als 50 Clowns sprangen um seinen Wagen herum. Jeder erhielt von dem Jecken am Steuer, der sich auch als Jeck grosszügig zeigte, das Kostüm geschenkt, dazu noch einen Taler Zehrgeld, freien Bierverzehr während des Zuges und einen tüchtigen Schlag Erbsensuppe mit einem strammen Mass als Einlage."
Bis zum 1. Weltkrieg (1914 - 1918) sind im Erkelenzer Karneval die Attribute zu finden, wie sie auch sonst im rheinischen Karneval zu finden waren. Sehr verbreitet waren damals humoristische Liederwettbewerbe und die zeichnerischen Darstellungen von den Rosenmontagszügen.
Mit dem 1. Weltkrieg war der Karneval in den Erkelenzer Landen zum Erliegen gekommen. Es ist wahren Karnevalisten zu verdanken, dass sie im Jahre 1925 zunächst den Saal-Karneval und sodann auch den Strassen-Karneval wieder aufleben liessen. In den 30er Jahren ist die Funkenmusterung zum Symbol des Erkelenzer Strassen-Karnevals geworden. Sie ist eng verknüpft mit dem verstorbenen Ehrenmitglied Herman Beeck, der jedem Erkelenzer Karnevalisten unter dem Namen "Dr. Fopp" bekannt ist.
1937 war der einzige Rosenmontagszug zwischen den Jahren 1914 und 1953 in Erkelenz. Angeführt wurde er von dem damaligen Prinzen Hermann Jansen, dem ersten Bürgermeister nach dem 2. Weltkrieg.
Bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg, in dem noch zerstörten Erkelenz, war es wiederum Hermann Beeck, der mit den "Funkenmusterungen" einen neuen Anfang machte. Schon vor der Währungsreform fand in der "Pressluftdiele" im Stadtpark ein Ball mit "Knolli Brandy" (=volkstümliche Bezeichnung für selbstgebrannten Schnaps) statt. Erster Vorsitzender war Willy Sirries (1956); der erste Rosenmontagszug nach dem 2. Weltkrieg fand ebenfalls im Jahre 1956 statt.
Grösster Höhepunkt in der nunmehr über 175-jährigen Geschichte war anlässlich der 1000-Jahr-Feier die bundesdeutsche Karnevalstagung in Erkelenz.